Wenn eine angesehene Organisation – in diesem Fall sogar eine Weltorganisation – wie die WHO etwas veröffentlicht, dann ist die (mediale) Welt ganz Ohr. So auch aktuell, denn: Es geht um ein deutsches Kulturgut und einen Exportschlager der Extra(wurst)klasse: Die Wurst (nicht nur die deutsche), soll nach einer von der WHO veröffentlichten Studie Krebs auslösen. Und das nicht nur ein (Currywurst)-Bisschen, sondern so richtig, r i c h t i g, RICHTIG. So, nachdem dieser Aufschrei nun auch hier und mit dem Hashtag #wurstgate Widerhall gefunden hat, schauen wir uns das Thema doch mal aus der Kommunikationssicht an.
Da gibt es also eine Studie, mit einer zentralen Botschaft, die ein großes Skandalpotential hat. Skandale sind das beste Futter für Tratsch und Klatsch, sie lassen sich am Stammtisch – wahlweise in diesem speziellen Fall auch besonders gut in der Dorfmetzgerei – oder aber in der Tagespresse, im Radio und Fernsehen sowie in allen möglichen Onlinemedien ausSCHLACHTEN (um verbal mal im Bild der Wurst zu bleiben).
Ungeachtet der Tatsache, dass an dieser Studie sicherlich was dran sein dürfte, ist es ein Paradebeispiel dafür wie Massenmedien dazu beitragen, dass es ein Thema auf die Agenda der Öffentlichkeit schafft. Dieses ist aber weder vom Himmel gefallen, noch wirklich neu. Gefühlt gilt aber gerade Alarmstufe Rot(wurst), Panik all überall bis auf ein paar (Millionen) heldenhaft Mutige, die jetzt erst recht ihre Fleischwurst verzehren. Nach BSE, Vogelgrippe, Dioxin-Hühnchen und Schweinepest (was ist eigentlich aus alledem geworden), wird nun also die neueste (verwurstete) Sau durchs mediale Dorf getrieben.
Die Realität der Medien kreiert die Medienrealität. Diese wirkt auf uns und beeinflusst wiederum unsere eigene Realität von der Welt, in der wir leben. Die permanente Wiederholung der immer gleichen Botschaft in all ihren Variationen erzeugt die Illusion einer tatsächlichen Wirklichkeit, die uns suggeriert, dass es kein Entkommen gibt. Hoffnungsvoll wendet sich der ein oder andere in all seiner Verzweiflung dem Veganismus zu, einem anderen medial enorm befeuerten Trend. Gesunde und bewusste Ernährung hin oder her, die Medien servieren uns tagtäglich ein Realitätsmenü, bei dem Wurst heute gerade bääää ist und morgen Bacon wieder als Wunderwaffe gegen alle möglichen Zipperlein bejubelt wird.
Will sagen: Die Medien (übrigens von Menschen gemacht – mal so als Erinnerung) machen unsere Welt, wie sie ihnen gefällt. Natürlich nur, so lange wir uns nicht dagegen wehren, Abstand nehmen und in Eigenverantwortung uns ein differenziertes Bild von allem machen. Aber: Wer macht sich schon die Mühe die Studie mal selbst zu lesen, diese zu hinterfragen, die Details zu verstehen? Klar, diese Mühe macht sich so gut wie niemand (auch nicht der Autor dieser Zeilen) und genau deswegen funktioniert die Industrie der Skandal gesteuerten Massenmedienproduktion so gut.
Im systemischen Coaching ist es deshalb entscheident zu durchschauen, wie Medienwirklichkeiten die Gedanken und Lebenswelten des Klienten prägen, ohne dass dieser zwangsläufig selbst durchschaut, was da passiert. Zur Qualifikation eines Coaches muss es aus unserer Sicht unbedingt gehören, dass er sich mit den Grundstrukturen der Medien, deren Mechanismen der Realitätskonstruktion und der Manipulation der Massen auskennt. In der systemischen Kommunikations- und Coachingausbildung am ISC-Finger ist dieses Thema deshalb fester Bestandteil.