Sie kennen das sicherlich alle aus alltäglichen Gesprächen – es wird von einer persönlichen Erfahrung berichtet und der Erzähler benutzt dabei „man“ statt „ich“ im Wechsel. Das passiert vermutlich jedem regelmäßig. Wir merken es meist gar nicht bewusst, wenn wir zwischen den Pronomen hin und her springen. Nach Rückfrage, ob mit „man“ eigentlich die erste Person Singular (ich) gemeint ist, wird erst die Vermischung deutlich (während ich diesen Text schreibe fällt mir übrigens auf, dass ich meist distanziert bleibe und von „man“ spreche). Beim Verlassen der dissoziierten Position einer unbestimmten Person fühlt sich die Geschichte sofort anders an. Plötzlich bin ich mittendrin im Geschehen. Emotionen regen sich und meine durch „man“ erworbene Neutralität geht zunehmend verloren. Ich bin dann sozusagen mittendrin und fühle mich für mein Tun verantwortlich. Das kann unangenehm sein und gewisse Abwehrreaktionen hervorrufen. Woher kommt aber die Tendenz, sich innerlich zu distanzieren und „man“ zu verwenden, wenn eigentlich „ich“ gemeint ist? Gibt es psychologisch nachvollziehbare gute Gründe dafür?
Innere Distanzierung oft normal
Das Phänomen der Dissoziation beziehungsweise der gefühlsmäßigen Abspaltung kennt die Psychologen insbesondere bei bestimmten Menschen mit Gewalterfahrungen beispielsweise in ihrer Kindheit. Dabei ist die geschaffene innere emotionale Distanz für die betroffenen Menschen häufig ein Mittel für die Bewältigung des alltäglichen Lebens. Psychologen nehmen aber an, dass die zweitweise Abspaltung vom momentanen Erleben völlig normal ist. Jeder Mensch braucht ab und zu eine Auszeit von der Realität durch Tagträumereien (mehr dazu finden Sie hier).
Zwei Hauptgründe für „man“
Amerikanische Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass die Verwendung des „man“ anstatt des „ich“ ebenfalls dazu dient, mit bestimmten Erlebnissen besser klar zu kommen (mehr dazu finden Sie hier). Ihnen ist aufgefallen, dass „man“ eher bei Beschreibungen negativer Situationen verwendet wird. Dabei zogen sie aus ihren Studien zwei Gründe in Betracht. Erstens nehmen sie an, dass wir aus einer gewissen erzählerischen Distanz eher in der Lage sind, negative Erfahrungen zu reflektieren und etwas aus Ihnen zu lernen. Zweitens vermuten die Forscher, dass die Verallgemeinerung uns dabei hilft das individuelle Erleben in einen größeren Kontext zu stellen. Kurz gesagt: Wir fühlen uns mit anderen Leidensgenossen verbunden und somit „normal“.
Hilfreich im Coaching
Insgesamt dient die distanziertere Sichtweise der Aufarbeitung negativer Erlebnisse beziehungsweise der besseren Integration und Identitätsfindung. Diese Erkenntnisse ließen sich in Coaching-Gesprächen bewusst einsetzen. Eine zu schnelle Rückführung auf die Ich-Ebene könnte demnach kontraproduktiv wirken.
Fällt es Ihnen auf, wenn Sie „man“ statt „ich“ verwenden? Was passiert wenn Sie bewusst von „man“ auf „ich“ wechseln?