Vor den Schuhen kamen die Socken

Vor den Schuhen kamen die Socken

https://www.pixelio.de/

Im letzten Beitrag zum Thema „Konflikte zwischen Eltern und Kind“ ging es um Schuhe. Doch vor den Schuhen, erschuf der Herr die Socken.

Auch Socken stellen ein ernstes Problem im Alltag mit meiner Tochter dar. Denn Socken haben Nähte. Und Nähte stören meine Tochter sehr. Sie stören zwar nur in dem Moment, da sie morgens ihre Socken überstreift, dennoch verzögert dies unsere Abreise zum Kindergarten oder anderen Ausflügen regelmäßig um ein vielfaches. Ich erinnere mich dunkel und ungern daran, dass auch ich als Kind ein sehr komplizierter Fall war, was Klamotten betrifft. Nichtsdestotrotz fehlt mir, spätestens nach dem dritten paar Socken, sowohl die Geduld, als auch das Verständnis! Die meisten werden sich nun denken: „Völlig zurecht!“.

Es handelt sich bei diesem speziellen „Sockenphänomen“ jedoch nicht um einen Machtkampf. Vielmehr besteht ein tatsächliches Unwohlsein, dass es meiner Tochter unmöglich macht, den Weg nach draußen anzutreten. Machtkämpfe, die von Kindern ausgehen, erkennt man immer daran, dass es dem Kind nicht um die Sache an sich geht, sondern ausschließlich ums Kämpfen. Bei den Socken geht es allerdings um die kleinen Knubbel, die an der Stelle entstehen, wo eine Socken-Naht endet. Es ergeben sich logischerweise an jeder Socke zwei dieser Knubbel. Befindet sich auch nur einer davon nicht oberhalb der Zehen meiner Tochter, sondern seitlich derselbigen, ist das Fiasko perfekt. Eine Banalität die ich aus folgendem Grund zum besten gebe.

Wir treffen im alltäglichen Leben ständig auf Menschen, die wir nicht verstehen! Sie haben ein Problem oder zeigen ein Verhalten, dass wir nicht nachvollziehen können. Meistens haben diese Menschen dafür gute Gründe oder eine Geschichte, die – würden wir sie denn kennen – alles ganz verständlich macht. Die alles entscheidende Frage ist: „Wer hat eigentlich das Problem?“.

Meine Tochter würde ohne weiteres 423 Sockenpaare durchprobieren, bis das 424. Paar schließlich ihrem Bedürfnis nach fußorientiertem Wohlbefinden gerecht wird. Mir fehlt dazu jedoch einiges. Nämlich Zeit, Geduld und Verständnis. Somit habe ich wohl das Problem und nicht meine Tochter. Genau so, ist es auch mit den eben beschriebenen Menschen. Ich löse mein persönliches Problem, welches durch den außergewöhnlichen Anspruch entsteht, den meine Tochter an ihre Socken stellt, dadurch, dass ich beim Sockenkauf darauf achte, Socken mit sehr kurzen Nähten zu erwerben. Ich ändere also mein Verhalten und nicht das meiner Tochter. In vielen Konflikten, die wir im alltäglichen Leben haben, möchten wir, dass andere sich ändern. Andere haben aber vielleicht gar kein Problem. Warum sollten sie sich also ändern? Wenn wir ein Problem haben, ist es dann nicht am besten, wenn wir es auch selbst lösen?