Sport zu treiben ist grundsätzlich sehr gesund und wird von den meisten Medizinern zur Gesunderhaltung bzw. rehabilitierend empfohlen. Neben den positiven körperlichen Effekten wirkt sich Bewegung auch positiv auf die Psyche aus (mehr dazu finden Sie hier). Allerdings hat auch der Sport (wie so Vieles) eine Kehrseite. Nämlich dann, wenn er zum Zwang wird und den Sportler kontrolliert und nicht mehr umgekehrt. Wie kommt es dazu und woran erkennt man eine sogenannte „Sportsucht“?
Sport als Droge
Der Klassiker – auch bei mir – mit um die Vierzig glaubte ich, noch einmal eine „echte“ sportliche Herausforderung bestehen zu müssen: Marathon laufen, den „Achttausender des kleinen Mannes“. Warum auch nicht? Laufen war etwas, was mir sehr gefiel. Ich lief regelmäßig zweimal die Woche für 30-40 Minuten. Die langsamen, fließenden Bewegungen während des Laufens und das gute Gefühl danach waren sehr angenehm für mich. Ich war sogar manchmal im „Flow“ und konnte abschalten. Aber irgendwann reichte mir das nicht mehr. Mein innerer Antreiber „Streng Dich an“ war offensichtlich noch nicht ausreichend von mir erhört worden. Außerdem steckte ich offensichtlich in der berühmten „Midlife Crisis“. Ich musste mir und vor allem der Welt da draußen noch „etwas“ beweisen. Gemeinsam mit einem Freund arbeitete ich einen Trainingsplan aus und wir liefen (fast) jeden Tag. Ich erinnere mich heute noch an das Hochgefühl während der Trainingseinheiten. Diese Euphorie war das Ergebnis meines körpereigenen Drogenlabors und ich wollte mehr davon! Zeitweilig auftretende Erkältungen wurden als lästige Rückschläge empfunden. Der erzwungene Entzug vom Sport und seinen Belohnungshormonen war für mich geradezu körperlich zu spüren. Außerdem entglitt mir das Gefühl der Macht und Kontrolle über meinen Körper. Es musste also sehr schnell weiter gehen. Irgendwann zwang mich meine sprichwörtliche Achillesferse, das Marathonlaufen aufzugeben. Und das war gut so. Obwohl es anfangs etwas schwer für mich war, konnte ich schnell wieder ohne diesen extremen Sport leben und ich zeigte auch keine weiteren Entzugserscheinungen. Viele Menschen jedoch schaffen diesen Absprung aus der „Droge“ Sport nicht so leicht und ignorieren jedes Warnzeichen. Warum ist das so?
Entstehung der Sportsucht
Psychologen nehmen an, dass die Anlage für eine Sportsucht schon sehr früh in den ersten Lebensjahren gelegt wird (mehr dazu finden Sie hier). Schon als Kinder verbinden diese Menschen Bewegung mit Belohnung. Je mehr Bewegung, desto mehr Belohnung. Der innere Antreiber „Streng Dich an“ wird zur dominierenden Stimme im Kopf. Es entsteht ein Zwang, eine Bewegungsfixierung. Wie weit das im Einzelfall gehen kann wird am Beispiel einer Profischwimmerin erläutert. Ihr Trainingspensum lag bei rund sieben Stunden täglich, sieben Tage die Woche. Einmal sogar 91 Tage ohne Pause. Da bleibt keine Zeit, sich zu erholen oder für soziale Kontakte etc. Noch ist dieses Phänomen keine Massenerscheinung in Deutschland. Sportwissenschaftler der Deutschen Sporthochschule schätzen, dass jeder Hundertste Sportler Auffälligkeiten zeigt und jeder Tausendste Sportler ernsthafte Symptome einer Sportsucht hat. Ihrer Ansicht nach müsste jeder Zehntausendste Sportler behandelt werden. Trotz der relativen Seltenheit, steckt hinter jedem einzelnen Fall ein unglückliches Einzelschicksals sowie eine große Anzahl betroffener Angehörige und Freunde (Stichwort „Ko-Abhängigkeit“).
Woran erkenne ich, ob ich sportsüchtig bin?
Die Psychologen haben das Phänomen der sogenannten Sportsucht und ihre Merkmale erkannt und untersucht. Mit einer kritischen Selbstbefragung könnte man testen, ob eine Sportsucht vorliegt und ob man gegebenenfalls Hilfe suchen sollte (mehr dazu finden Sie hier). Auch das offene – und einfühlsame Feedback von Außen, kann gefährdete Sportler davor bewahren, dass eine mögliche Sucht die Gesundheit und das soziale Leben sehr stark beeinträchtigt.
Maßnahmen
Welche Form der anschließenden Hilfe erforderlich wird ist abhängig von der Sucht selbst und inwieweit das Leben und die Gesundheit beeinträchtigt sind. Außerdem tritt die Sportsucht oft in Kombination mit weiteren Störungen wie z.B. Magersucht auf. Psychologen plädieren – gewissermaßen als Präventivmaßnahme – dafür, den Sport mit allen Vor- und Nachteilen differenzierter zu betrachten.
Was sind Ihre Erfahrungen mit ihren inneren Antreibern? Wie wichtig ist Ihnen Sport? Kennen Sie Menschen mit einer Sportsucht?