Menschenkenntnis, Moralurteile und Charakter

Menschenkenntnis, Moralurteile und Charakter

© De Vries

Es ist durchaus menschlich und wahrscheinlich auch evolutionär nützlich, den Charakter fremder Personen sehr schnell einschätzen zu können. Zu wissen, ob man es mit einer „guten“ – oder einer „bösen“ Person zu tun hat, kann vor möglichem Schaden bewahren. Aus Sympathie können dann Freundschaften oder Liebesbeziehungen entstehen und somit soziale Strukturen. Wichtig dabei ist, dass man ein gutes Urteilsvermögen entwickelt. Je besser ich den Anderen einschätzen kann, desto höher ist meine Chance, negative Erlebnisse zu vermeiden – beziehungsweise Freunde und Gleichgesinnte zu finden.

Faktoren für eine gute Menschenkenntnis

Wissenschaftler haben untersucht, welches die wichtigsten Faktoren für eine gute Menschenkenntnis sind. Dies ist demnach vor allem unsere gesammelte Erfahrung sowie der Fähigkeit aufmerksam zu sein, also sich gut auf andere Menschen einstellen zu können (mehr dazu finden Sie hier).

Moralurteile von Verhalten

Unsere meist sehr schnellen und oberflächlichen Moralurteile unterliegen vor allem unseren individuellen Besonderheiten und Vorlieben – und somit auch Irrtümern. Aber auch bei klar beobachtbarem Verhalten urteilen wir moralisch unterschiedlich und nicht objektiv nur nach den Konsequenzen. Psychologen haben herausgefunden, dass es bei der Bewertung auch um die Mühe geht, die bei der Tat aufgewendet wurde (mehr dazu finden Sie hier).

Moral und Mühe

Eine ganz besonders wichtige Rolle bei der moralischen Bewertung spielt offenbar die Mühe, die vom Täter aufgewendet wird. So werden nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler beispielsweise Taschendiebstähle milder bewertet, wenn der Dieb vergleichsweise wenig Mühe damit hatte seine Tat zu begehen. Also, wenn beispielsweise die Handtasche des Opfers offen stand und der Besitzer unachtsam war. Stärker positiv bewertet werden dementsprechend moralisch positive Handlungen, wenn dabei ebenfalls viel Mühe aufgewendet wurde. So werden Menschen positiver bewertet, die viel Energie darauf verwenden, dem Verlierer seine Geldbörse wieder zurückzugeben als ein „einfacher“ Finder, der sich anscheinend weniger anstrengt. Das Ergebnis der Handlung ist also bei der moralischen Bewertung nicht das entscheidende moralische Urteilskriterium. Der dem Handelenden unterstellte Wille und die Intensität der Tatausführung – also sein vermuteter Charakter dahinter – sind offenbar mitentscheidend für die Schärfe beziehungsweise Milde des Urteils.

Innerer Kampf

Die Wissenschaftler vermuten, dass beim Urteilen über die Tat die vermuteten Gewissenbisse und Grübeleien beim Täter eine wichtige Rolle spielen. Der innere Kampf wird demnach ebenfalls als Aufwand angesehen, der entsprechend positiv mit in die Bewertung einfließt und milder urteilen läßt. Ein Täter, der lange mit sich selbst ringt, zum Schluß aber schwach wird und die Gunst des Augenblicks nutzt, kann demnach kein so schlimmer Mensch sein. Wenn aber viel Energie darauf verwendet wurde etwas Schlechtes zu tun, dann lässt die Entschlossenheit zur Tat ebenso Rückschlüsse auf einen moralisch besonders verwerflichen Charakter zu und das unabhängig von den Konsequenzen der Tat.

Urteilen Sie ebenfalls über die Taten anderer Menschen anhand der Mühe die sie aufgewendet haben? Finden Sie das gerechtfertigt? Welche Konsequenzen hat das für unseren Alltag?