Konflikte zwischen Eltern und Kind: Machtkämpfe

Konflikte zwischen Eltern und Kind: Machtkämpfe

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In den letzten beiden Beiträgen zur Reihe „Konflikte zwischen Eltern und Kind“ ging es um Situationen, in denen das Kind ein bestimmtes Bedürfnis hatte, welches nicht in einem bloßen Machtkampf bestand. Leider ist es so, dass Kinder manchmal Konflikte mit ihren Eltern austragen wollen, in denen das Bedürfnis einzig und allein darin besteht, einen Machtkampf zu führen und zu gewinnen. Es scheint eine psychologische Notwendigkeit für diese Machtkämpfe zu geben, denn sonst würden Kleinkinder sie nicht führen wollen. Im allgemeinen nennt man die Phase, in der Kleinkinder häufig zu diesem Verhalten neigen, die Trotzphase. Es mag zwar sein, dass sich Machtkämpfe in dieser Phase häufen. Sie werden jedoch auch noch lange nach dieser Phase geführt, selbstverständlich auch von Erwachsenen Menschen.

Wichtig ist zunächst einmal Machtkämpfe sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen zu identifizieren. Sehr oft wird der Kampf eines Kindes, um die Erfüllung eines Bedürfnisses, fälschlicherweise als Machtkampf interpretiert. Eltern sagen dann häufig Dinge, die sinngemäß so viel bedeuten wie: „Du machst jetzt was ich sage, weil ich es sage!“. In solchen Fällen sind die Eltern diejenigen, die einen Machtkampf auslösen und nicht die Kinder. Meistens haben Kinder ein Bedürfnis, welches nicht darin besteht einen Machtkampf auszukämpfen. Wenn Kinder einen Machtkampf führen wollen, erkennt man dies daran, dass es ihnen nicht wirklich um die Sache geht, wegen der sie sich mit den Eltern streiten, sondern ums streiten an sich. In diesen Momenten sind Kinder provokativ, angriffslustig, stur und vieles mehr, was für alle Eltern der Welt nur schwer zu ertragen ist. Es ähnelt zwar dem Verhalten von Kindern, denen die Erfüllung eines Bedürfnisses verwehrt wird. Bei genauer Betrachtung wird jedoch ein Unterschied in der Qualität des Verhaltens deutlich. Bei unerfüllten Bedürfnissen sind Kinder eher quengelig, betteln ihre Eltern an oder reagieren beleidigt. Bei Machtkämpfen dagegen ist das Verhalten in jeder Hinsicht zerstörerisch und destruktiv. Das Kind hat dann kein Bedürfnis, welches man ihm eventuell erfüllen könnte, sondern will nur streiten und natürlich auch den Streit gewinnen. Als Laie kann ich nur mutmaßen, dass diese Machtkämpfe dazu da sind, das Ego eines Menschen auszuprägen. Die Trotzphase kommt ja kurz nachdem ein Kleinkind sich seiner selbst als Person und Individuum bewusst wird.

Was die Beziehung zwischen Kindern und Eltern betrifft, so ist meine Meinung, dass Eltern aus einem Machtkampf, der vom Kind ausgeht, in keinem Fall als Verlierer hervorgehen sollten. Ansonsten wird das Zusammenleben auf Dauer sehr schwierig. Etwas anders sehe ich es bei Machtkämpfen, die zwischen Erwachsenen stattfinden. Auf so etwas sollte man sich einfach nicht einlassen. Anderen Erwachsenen kann man immer auf der Sachebene begegnen oder ihnen aus dem Weg gehen. Bei den eigenen Kindern ist das nicht so einfach. Vor meiner Zeit, bedienten Eltern sich einer sehr effektiven und einfachen Methode, um Machtkämpfe mit ihren Kindern zu gewinnen. Sie gaben ihnen was hinter die Ohren oder auf den Hintern. Physische Gewalt gegen Kinder ist aus einer Vielzahl von guten Gründen heute gesellschaftlich und gesetzlich geächtet.

Doch wie gewinnt man einen Machtkampf ohne Gewalt? Ist einsperren, ohne essen ins Bett, Liebesentzug usw. nicht auch Gewalt? Es gibt viele gewaltsame Methoden, die man bei seinen Kindern anwenden kann, ohne dabei physische Gewalt auszuüben. Keine davon ist mir persönlich wirklich lieb. Ich habe für mich die Methode gewählt, die meiner Ansicht nach das kleinste Übel darstellt. Wenn ich es für nötig halte einen Machtkampf gegen meine Tochter zu führen und zu gewinnen, nehme ich ihr Sachen weg. Der schlimmste Machtkampf meines bisherigen Vatertums endete damit, dass meine Tochter nach 2,5Stunden Terror –  protestierend – in ihrem leer geräumten Zimmer einschlief.

Es gibt einen Grund, warum ich diesen Beitrag heute in dieser Reihe veröffentliche. Es geht mir darum, dass Eltern häufig glauben sie müssten sich durchsetzen, weil das Erziehung bedeutet. Das ist zwar machmal der Fall, meistens jedoch vergeudete Liebesmüh. Ein Machtkampf ist nur dann nötig, wenn er vom Kind ausgeht. Meistens werden jedoch Bedürfnisse eines Kindes nicht erkannt und dann reagieren Eltern ihrerseits mit Machtkampf. Ich plädiere nicht dafür einem Kind jedes Bedürfnis zu erfüllen! Eltern haben schließlich auch Bedürfnisse. Es gibt jedoch eine Lösung, wenn ich ein Bedürfnis erkenne, es aber nicht erfüllen will oder kann. Diese sieht folgendermaßen aus. Man signalisiert dem Kind, dass man sein Bedürfnis sieht und versteht, anstatt ihm das Bedürfnis in einem Machtkampf oder mit einem Machtwort „auszuprügeln“. Wenn man dem Kind dann noch erklärt, warum man ihm dieses Bedürfnis gerade nicht erfüllen kann oder will, reagiert es manchmal mit Verständnis, häufig mit schnell vergänglichem Missmut und nur ganz selten mit einem Machtkampf. Genau dasselbe gilt – wie in dieser Blogreihe üblich – auch für Erwachsene. Bedürfnisse wollen zwar erfüllt werden, sie freuen sich allerdings auch schon außerordentlich darüber, wenn sie nur gesehen werden.