Gelassenheit üben – ja schön, aber wie?

Gelassenheit üben – ja schön, aber wie?

© De Vries

Kürzlich hatte ich wieder eines dieser Telefonate mit meiner Mutter. Ich weiß nicht mehr genau, wie das Gespräch gekippt ist. Eingangs ging es mir nur um eine Information, dann – sehr schnell – und scheinbar ohne erkennbaren Grund ist daraus ein Streitgespräch geworden. Im Ergebnis war ich wütend und enttäuscht. Dieses Gefühl kenne ich sehr gut im Zusammenhang mit meinen Eltern. Ich dachte, ich hätte diese Seite meiner Psyche bereits ausreichend beleuchtet und bearbeitet, so dass ich mit sogenannter „buddhistischer Gelassenheit“ drüber stehen könnte. Mir sind außerdem als ausgebildeter Kommunikationstrainer und Konfliktmanager die Mechanismen, die zu einem Streit führen bekannt. Dennoch passiert es mir ab und zu, dass ich meine Souveränität und Gelassenheit verliere und ich überreagiere, mich verletzt – und schlecht fühle. Geht es Ihnen auch so? Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob das irgendwann mal aufhört und Konflikte nur noch eine entfernte Erinnerung aus der Vergangenheit sind? In meiner Vorstellung würde ich dann nur noch ein langgestrecktes „OOOOOhhhhhmmmm“ hören und alles wäre gut. Leider ist das bisher noch nicht passiert.

Mögliche Strategien

Als lösungsorientierter Mensch suche ich selbstverständlich immer nach möglichen Strategien zur Bewältigung innerer Blockaden. So bin ich auf einen Artikel in der „Psychologie heute“ mit dem Titel „Drüber stehn!“ gestoßen (mehr dazu finden Sie hier). Dort heißt es, dass das sprichwörtliche „dicke Fell“ keine Rüstung sondern eher ein „Umhang“ sein sollte, der den inneren Frieden bewahren soll. Dieses innere Immunsystem kann man trainieren und stärken. Im Wesentlichen sollten wir nach Ansicht der Autoren über unsere Grundhaltung im klaren sein: Auf welche Dinge fokussieren wir unsere Gedanken? Eher auf das Negative oder eher auf das für uns Hilfreiche? Ausserdem werden folgende Strategien für kritische Situationen vorgeschlagen: Erst mal durchatmen und Abstand gewinnen, die eigenen Interpretation hinterfragen, eigene Erwartungen senken und buddhistisch werden.

Eigene Interpretationen hinterfragen

All das sind keine völlig neuen Ideen, aber wenn man sie beherzigen würde, könnte das im Alltagsstress und bei schwierigen Gesprächen sehr helfen. Insbesondere die zweite Maßnahme, die eigene Interpretation kritisch zu prüfen, erscheint mir sehr lohnenswert für eine genauere Betrachtung. Wie oft gehen wir davon aus, dass nur unsere Überzeugungen richtig sind und verurteilen infolgedessen andere Menschen für ihr Verhalten sehr schnell? Die berühmte „Geschichte mit dem Hammer“ von Paul Watzlawick in seinem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ veranschaulicht das sehr plastisch (mehr dazu finden Sie hier). Dort steigert sich ein Mann, der von seinem Nachbarn ein Hammer geliehen haben möchte, in seine eigene Interpretationswelt über den Charakter dieses Nachbarn hinein. Scheinbar unfreundliches Verhalten seitens des Nachbarn („grüßte gestern nur flüchtig“) wird dahin gehend interpretiert, dass nur ein negativer Charakter dahinter stecken kann. Dem Mann bleibt scheinbar nichts anderes übrig, als den Nachbar als „Rüpel“ zu beschimpfen.

Erwartungen an andere senken

Wenn wir uns also bewusster werden, dass unsere Interpretationen des Verhaltens anderer Menschen nicht hundert Prozent stimmen müssen  und diese einmal kritisch hinterfragen, dann sind wir bereits einen großen Schritt weiter in Richtung Gelassenheit. Wenn wir es zudem schaffen unsere Erwartungen zu senken, dann haben wir sicherlich ebenfalls viel für unseren inneren Frieden und unsere Lebensqualität gewonnen. In meinen Erinnerungen hatte ich z.B. auf den Partys am meisten Spaß, wo ich mit den wenigsten Erwartungen hingegangen bin. Stressige Situationen und scheinbar schwierige Menschen sind nach Ansicht vieler Psychologen und Coaches nur Herausforderungen für uns, die gemeistert werden müssen auf unserem Lebensweg. Wenn wir das geschafft haben, wirkt sich das nach Ansicht der Autoren des „Psychologie heute“ Artikels als „Einzahlung auf unserem Selbstwertkonto“ aus. Ein Coaching kann dabei sehr gut unterstützen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Verletzungen durch andere gemacht? Wie haben Sie die Kränkungen überwunden und wie hat sich Ihr Leben dadurch verändert? Was ist Ihre Strategie in kritischen Situationen?