Dies ist das Reisetagebuch zum Roadtrip von Else und Patricia: Zehn Tage in Elses Wahlheimat an der Ostsee zwischen Kiel und Flensburg. Else ist 89, Patricia 40. Dies ist die Geschichte, wie zwei fremde Menschen sich kennenlernen…
Roadtrip Tag 2: Bob Marleys Reggae-Hit „Don’t worry, every little thing is gonna be alright…” tönt aus dem Badezimmer. Die Dusche unserer Airbnb-Wohnung ist eine umgebaute gelbe Telefonzelle mit Jukebox. Der Tag beginnt entspannt. Ich verdaue noch die erste Etappe unseres zehntägigen Roadtrips, den Else und ich gestern begonnen haben: In unseren 550 Kilometern von Düren nach Kiel hat mir Else ein Update gegeben – ihre vergangenen 89 Lebensjahre im Zeitraffer, in neun Stunden Fahrt. O-Ton Else: „Und das war noch lange nicht alles…“
Die Fahrt vergeht im Flug, weil Else mich mit ihren Lebensgeschichten auf eine Non-stop Reise in die Vergangenheit mitnimmt: Sie war Haushaltshilfe bei einem Baron, hat auf dem Bau geholfen und ihren Mann Gerhard im Architektenbüro Hand in Hand unterstützt und ihn während seiner Arbeitsaufenthalte in Spanien, Libyen und Damaskus regelmäßig für mehrere Wochen besucht.
Der Wendepunkt ihres Lebens kam, als er starb. Statt in Trauer zu versinken, beschloss sie mit damals 64 Jahren sich noch einmal selbstständig zu machen: „Ich wollte nicht allein zu Hause sitzen, in ein Loch fallen und anderen mein Alleinsein aufdrücken.“ Bekannte fragten, ob Else für sie Produktpromotion macht. Und sie entdeckt ihre Leidenschaft fürs Verkaufen: Als Vertreterin fuhr sie in Ruhrgebiet und Richtung Frankfurt von Supermarkt zu Supermarkt: Verköstigungen für Käse, Wein, Pasta und Pralinen… „Vorher war ich für Familie und Mann da und jetzt wollte ich mir zeigen, was ich noch kann… Das war der Sinn, warum ich da überhaupt losgezischt bin. Das war ein Geschenk.“
Freundlichkeit war ihr Verkaufsgeheimnis. Da es so gut lief, beschaffte sie sich nach einem Jahr selber einen Gewerbeschein und arbeitete in Eigenregie. Erst mit 85 Jahren hörte sie mit dem Werbungmachen auf. Und auch bloß, weil sie zum Autofahren irgendwann zu wenig sah…
Wenn ich so darüber nachdenke, wünschte ich mir gerade auch, mir würde so ein Job vor die Füße fallen, den ich mit all meiner Leidenschaft und Freude mache, der mich erfüllt und ich dadurch erfolgreich bin. Wie cool wäre das denn. Vielleicht werde ich ja Reisebegleiterin und berichte über die Erlebnisse, die mir da mit den Menschen widerfahren…
Heute geht’s nach Strande, wo Gerhard seebestattet wurde…
Fortsetzung folgt…