Kaum vorstellbar in der digitalen Welt der virtuellen Realitäten – visuelle Reize ohne Surround-Sound und allerlei akustischer Effekte. Doch bevor der Ton zum Film erfunden wurde befürchteten die Menschen, dass ihnen unter anderem dadurch die Fantasie geraubt werden könnte (mehr dazu finden Sie hier). Wie wäre es, wenn weitere Wahrnehmungskanäle hinzukämen? Wie würde das Publikum reagieren, wenn nicht nur seine Augen und Ohren, sondern zusätzlich seine Riecher angesprochen würden?
Vernachlässigtes Potenzial
Obwohl die heutige mediale Technik Augen und Ohren sehr gut bespielt, sind unsere anderen Sinne wie das Riechen, Schmecken und Fühlen vernachlässigt worden. Gemessen an der potenziellen Wahrnehmung ist unser Riechorgan dem unserer Augen weit überlegen. Neurobiologen haben festgestellt, dass wir zum Sehen nur fünf Rezeptoren benötigen und uns zum Riechen 350 Rezeptoren zur Verfügung stehen (mehr dazu finden Sie hier). Außerdem sind Gerüche sehr stark mit Emotionen verknüpft. Also, was könnte da näher liegen als das „Geruchsfernsehen“ oder das „Geruchskino“ zu erfinden, um die Zuschauer noch mehr in eine künstliche Erlebniswelt eintauchen zu lassen? Es ist technisch nicht einfach umsetzbar und vielleicht befürchtet man daher, eine ähnliche ablehnende Tendenz des Publikums wie seinerzeit bei der Einführung des Tonfilms?
Ein Riecher steht in Berlin
Was es bisher nur in der Fantasie gab ist nun in Berlin Realität geworden. Dort hat man ein Instrument gebaut, dass wie eine Duftorgel arbeitet. Der „Smeller 2.0“ ist eine tonnenschwere „Wahnsinnlichkeitsmaschine“, mit dem sich die Entwickler dieser Herausforderung stellen (mehr dazu finden Sie hier).
Den analogen Mensch neu entdecken
Die Erfinder haben sich mit dem Riecher nicht weniger zur Aufgabe gestellt, als den „analogen Menschen“ wieder neu zu entdecken. Für viele Menschen sind heutzutage die schnellen visuellen – und aggressiven akustischen Reize eine Überforderung. Insbesondere diejenigen, deren bevorzugte Wahrnehmungskanäle nicht die Augen oder Ohren sind, sondern die eher über den Tast- bzw. Fühl-Sinn oder über den Geschmack- und Geruchssinn wahrnehmen, sind häufig gestresst. Nach Ansicht der Erschaffer des Smeller ist unser Geruchssinn zudem durch die Fokussierung auf visuelle und akustische Reize verkümmert und müsse daher neu belebt werden. In diesem Zusammenhang wird das Bild eines „Synapsengärtners“ entworfen. Er soll die brach liegenden Bereiche des Riechens wieder fruchtbar machen.
Tiefere Sinnes-Wahrnehmung
Durch das Riechen bekommen die visuellen Reize eine altbekannte aber etwas verschüttete Dimension hinzugefügt. Der Mensch kann wieder die volle Palette seiner Sinneserfahrungen nutzen. Dies führt unter anderem auch zu einer Vertiefung des Wahrnehmungsprozesses, da die zu verarbeitenden Reize sehr vielfältig und ungleich subtiler sind als visuelle Reize.
Erweiterung der Wahrnehmungsfähigkeit
Vielleicht gibt es irgendwann auch einen Riecher für das Duft-Coaching!? Um die Klienten tiefer in bestimmte emotionale Zustände zu bringen, könnten gezielt Düfte zur Unterstützung eingesetzt werden. Bekanntermaßen wirken Düfte sehr stark als Anker, die mit Gefühlen eng assoziiert werden. Aber das ist wohl genauso Zukunftsmusik (wieso eigentlich „Musik“ und nicht „Duft“?) wie das Geruchsfernsehen. Vielleicht wird es irgendwann aber doch Realität? Dann könnte man gespannt sein über die Auswirkungen auf unser (virtuelles) Leben. Auf jeden Fall wäre dadurch der Mensch um einiges reicher in seiner Sinneswahrnehmung. Eine Erweiterung der Wahrnehmungsfähigkeit ist das Ziel einiger psychologischer Kommunikationsmodelle, da dadurch die Fähigkeit neue Lösungen für Herausforderungen zu finden, gesteigert werden kann.
Was halten Sie vom Geruchsfernsehen? Welche Gerüche lösen bei Ihnen starke Gefühle aus? Nutzen Sie Düfte, um andere zu beeinflussen?