ARD Themenwoche Toleranz

ARD Themenwoche Toleranzote debattieren

© De Vries

Die ARD hat ihre aktuelle Themenwoche dem Thema Toleranz gewidmet. Sie wollte damit, laut Aussage ihres verantwortlichen Programmdirektors, Hans-Martin Schmidt, bewusst provozieren. Was mich betrifft ist es ihr gelungen.

Ich fühlte mich nämlich provoziert (v. lat. provocare für „hervorrufen“, „herausfordern“) ein paar lateinische Vokabeln zu lernen und über ihre Bedeutung nachzudenken.

Ist Toleranz (v. lat. tolerare für „erdulden“, „ertragen“) denn überhaupt ein besonders hohes, gesellschaftlich erstrebenswertes Gut? Möchten wir in einer Duldungsgesellschaft leben? Fast synonym zu Toleranz fallen, im Rahmen der Themenwoche, häufig die Begriffe Respekt und Akzeptanz. Da ich in der 7. Klasse Französisch gewählt habe, musste ich auch diese Wörter zunächst nachschlagen. Respekt (v. lat. Respectus für „Zurückschauen“, „Rücksicht“, „Berücksichtigung“) stellt schon eine deutliche Steigerung zu Toleranz dar. Der Dreiklang wird komplettiert durch Akzeptanz (v. lat. accipere für „gutheißen“, „annehmen“, „billigen“), die nicht nur erduldet und berücksichtigt, sondern etwas sogar für gut befindet.

Nach dieser kurzen Vokabelpaukerei las ich mich durch Artikel, Beiträge und Postings, welche im Rahmen der Themenwoche bereits von verschiedensten Medienanstalten und Privatpersonen verfasst wurden. Je mehr ich las, desto deutlicher wurde mir, dass die wenigsten Menschen eigentlich Toleranz fordern. Die meisten wollen mehr, als nur ertragen oder geduldet werden, um sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu fühlen. Doch beißt sich die Toleranz an dieser Stelle nicht in den eigenen Schwanz? Denn die Intoleranten fordern auch gerne Toleranz für ihre Sichtweisen, wie ein Posting von „Kapejo“, im Chatforum auf der Starseite der ARD Themenwoche belegt.

„Muss ich gemäß politischer und medialer Anweisung auch denen gegenüber tolerant sein, die unsere Gesellschaft zerstören wollen (z.B. Salafisten) oder nur wegen des Wohlstandes und der Sicherheit zu uns kommen (z.B. durch millionenfachen Missbrauch des Asylrechts)?“

Ist es tolerant Akzeptanz einzufordern, wenn diese nicht vorhanden ist? Ich frage mich daher in was für einer Gesellschaft wir leben wollen oder welche Gesellschaft überhaupt realisierbar ist. Eine Akzeptanzgesellschaft kann es nur geben, wenn alle Teilnehmer sich einig sind, was – vereinfacht ausgedrückt – gutzuheißen ist. Viele könnten sich eine solche Gesellschaft kaum im Kreise ihrer eigenen Familie vorstellen. Wie soll es da in einem Land mit vielen Millionen Menschen, aus verschiedensten Kulturen, eine allgemeingesellschaftliche Akzeptanz füreinander geben?

Wie wäre es also mit Respekt im Sinne von Rücksichtnahme? Führt uns nicht auch das in unserer modernen, multikulturellen Gesellschaft ständig ins Dilemma? Ich denke da nur an religiöse Themen, die mir aus den letzten Monaten und Jahren im Gedächtnis geblieben sind. Jesu-Kreuze in Schulen; Kopftücher in Schulen; Burka-Verbot; Beschneidung von jüdischen und muslimischen Jungen. Beschnitten wird unter der Fahne der Rücksichtnahme auch die Sprache. „Political correctness“ ist das geflügelte Wort zu diesem Thema.

Es scheint so, als wäre Toleranz der kleinste Nenner, auf den sich eine pluralistische Gesellschaft einigen kann. Doch da widerspricht mir der große Dichter und Denker, Johann Wolfgang von Goethe, von dem folgende Maxime überliefert ist:

„Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein; sie muß zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen“

Damit lande ich wieder bei der Ausgangsfrage. In was für einer Gesellschaft möchten oder können wir leben? Wer nun nach all diesen Fragen eine Antwort erwartet, den bitte ich zu erdulden, zu berücksichtigen und zu billigen, dass ich sie nicht liefern kann.